Vertragsklausel entschlüsseln

Diskutiere Vertragsklausel entschlüsseln im Bauvertrag Forum im Bereich Rund um den Bau; Hallo Experten, kann mir jemand folgende Vertragsklausel entschlüsseln, und zwar so, dass kein Misverständnis möglich ist ? <ANFANG> Die...

  1. Berndi

    Berndi

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    Hallo Experten,

    kann mir jemand folgende Vertragsklausel entschlüsseln, und zwar so, dass kein Misverständnis möglich ist ?

    <ANFANG>
    Die Fertigstellung erfolgt bei günstigen Wetterbedingungen im Juni/Juli 2004. Für jeden Monat um den die Bezugsfertigkeit des Hauses zum 31.08.2004 überschritten wird, wird eine Vertragsstrafe von 10.000 € seitens des Auftragnehmers fällig.
    <ENDE>

    Frage: Wann genau ist der Stichtag, an dem der Auftragnehmer in Verzug gerät ? Ist es der 01.09.2004 oder der 01.10.2004 ?
    ... und warum ?


    Vielen Dank !
    Berndi
     
  2. Bruno

    Bruno

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    Meine extreme Sichtweise:

    Ist die Klausel Allgemeine Geschäftsbedingung, regelt weder Satz 1 noch Satz 2 etwas. Es fehlt der Bezug auf das alleinige Verschulden des AN. Außerdem fehlt die Limitierung der Vertragsstrafe. Ob der Monatssatz allein schon zu hoch ist, kann nur zusammen mit der Auftragssumme beurteilt werden.

    Ist die Klausel nicht AGB, kommt der AN bei durchgehend "günstigem" Wetter in Verzug wenn "Juni/Juli" vorbei ist, also ab 1.8.04. Ggf. kommen ihm noch Regelungen der VOB zu Hilfe, falls vereinbart.

    Ab einem Tag "ungünstigem" Wetter - was immer das ist - kommt er gar nicht in Verzug. Satz 1 regelt dann nichts mehr und Satz 2 regelt keinen Fertigstellungstermin, sondern nur, wie die Vertragsstrafe berechnet wird.

    In beiden Fällen wird eine Vertragsstrafe verwirkt, wenn ab 31.8. ein Monat vergangen ist, im Fall "ungünstigen" Wetters sogar ohne Verzug, Hauptsache der 31.08. + 1 Monat ist vorbei. Die Vertragsstrafe läuft bis zum St.-Nimmerleinstag, wenn z.B. der Bauherr keine Lust hat, fertigstellen zu lassen.

    Als Individualvereinbarung unterschreibt das kein AN, als AGB ist die Klausel unwirksam.
     
  3. OK

    OK

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    Interpretation vom Nicht-Juristen:

    - der Passus mit den "günstigen Wetterbedingungen" ist so schwammig, den kann man getrost vergessen
    - Im nächsten Satz wird dann Bezugsfertigkeit für 31.8.04 vereinbart. Also ist der AN ab 1.9. im Verzug
    - Die Vertragsstrafe wird aber pro Monat fällig ohne dass explizit dazu gesagt wird, dass immer ganze Monate gerechnet werden. Als Laie würde ich da immer anteilige Summen erwarten, also z.B. Fertigstellung 15.9. -> halber Monat über Termin => halbe Vertragsstrafe.

    10000 Euro pro Monat sind ja ganz schön kernig :yikes , gibt es da nicht irgendwelche Obergrenzen seitens des Gesetzgebers?!

    Laien-Grüße
    OK
     
  4. OK

    OK

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    @Bruno Stubenrauch

    Hallo Herr Stubenrauch,
    Ihre Antwort hatte ich beim Schreiben meiner noch nicht gesehen. Bzgl. Satz 1 sind wir ja einer Meinung, bei Satz 2 wird´s spannend:

    M.E. wird durch die Berechnungsvorschrift implizit ein Fertigstellungstermin vereinbart. Das sehen Sie anders?!

    Wiso das denn?! :confused:

    Da die Termine in der Vergangenheit liegen, gehe ich davon aus, dass es sich um einen exisiterenden Vertrag handelt. Oder ist das hier ein hypothetischer Fall?!?

    Grüße
    OK
     
  5. Bruno

    Bruno

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    @OK:

    "In beiden Fällen wird eine Vertragsstrafe verwirkt, wenn ab 31.8. ein Monat vergangen ist" heißt, dass eine Vertragsstrafe immer erst fällig wird, wenn am 31.08. + 1 Monat nicht fertiggstellt ist, egal wie das Wetter war. Auch wenn dank gutem Wetters bis Ende Juli hätte fertiggestellt werden können und müssen, kommt eine Vertragsstrafe erst ab 31.08. + 1 Monat in Betracht. Etwas anderes will Satz 2 nicht regeln, es ist eine Rechenregel.

    Aus dem selben Grund bestimmt Satz 2 auch keinen neuen Fertigstellungstermin. Der soll durch Satz 1 geregelt sein. Wenn ich aus Kulanz die Vertragsstrafe erst nach Ablauf eines späteren Termins verlange, hab ich damit nicht die früher geschuldete Fertigstellung außer Kraft gesetzt. Hat Satz 1 ein "Loch", tritt eine bloße Rechenregel nicht an die Stelle einer Vereinbarung zum Fertigstellungstermin.
     
  6. Bruno

    Bruno

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    @OK:

    Falls die Frage anders gemeint war: "Für jeden Monat" bedeutet, dass auch ein Monat rum sein muss. Am 1.9. ist seit 31.8. kein Monat vergangen, am 28.9. auch noch nicht. Will man es anders, muss man "für jeden angefangenen Monat" schreiben. Anteilige Strafen müssten geregelt werden, sonst bleibt es bei Monatshäppchen.

    Die Frage lautete aber nicht "ab wann ist Vertragsstrafe fällig" sondern "ab wann tritt Verzug ein". Der tritt nach m.E. nie ein, wenn es außer der Klausel keine Regelungen oder Inverzugsetzungen gibt. Dazu reicht ein einziger Tag Regen während der Bauzeit.

    Ob die Regelung zur Vertragsstrafe hält, was ich äußerst bezweifle, ergibt sich hauptsächlich aus deren Zustandekommen als Individualvereinbarung. Stand die Klausel in mehreren LV-Blanketten, kann sie schon AGB und damit unwirksam sein. Ob sie aus anderen Gründen auch in Individualvereinbarungen unwirksam sein kann, z.B. wegen Sittenwidrigkeit, weiß ich nicht.
     
  7. Bruno

    Bruno

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    "Die Vertragsstrafe läuft bis zum St.-Nimmerleinstag, wenn z.B. der Bauherr keine Lust hat, fertigstellen zu lassen" war vielleicht unglücklich formuliert. Blockiert der Bauherr absichtlich, wird er aus der Klausel nicht profitieren können. Blockiert aber z.B. eine Behörde und stellt den Bau ein, ohne das der AN etwas dafür kann, dann zahlt der AN brav Monat für Monat, ohne Verschulden, ohne Aussicht es beeinflussen zu können und ohne Höchstgrenze. Drum ist die Klausel als AGB auch nichts wert.
     
  8. OK

    OK

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    Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr fürchte ich, dass B.Stubenrauch Recht hat.

    "Fürchten" deshalb, weil der AG offensichtlich einen festen Fertigstellungstermin und eine Vertragsstrafe fixieren wollte und das BEIDEN Seiten vor Vertragsabschluss auch klar war - und jetzt steht der AG dumm da.

    Irgendwie kann ich mich nicht damit abfinden, dass man jeden Satz durch Rechtsanwälte absichern lassen muss. Hilft aber wohl nix den Don Quichotte zu spielen...

    Schönes Wochenende
    OK
     
  9. Bruno

    Bruno

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    Weil noch die Frage nach einer gesetzlich zulässigen Obergrenze für Vertragsstrafen aufgetaucht ist: die ergibt sich aus ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und ist im Fluss. Mir sind derzeit 5% der Auftragssumme als abgesegnete Höchstgrenze bekannt. Bei einem 200.000-€-Haus wären das 10.000 €. Pro Tag gibt es auch Höchstgrenzen, die liegen meines Wissen bei 0,2 oder 0,3%. Die BGH-Urteile betreffen nur Vertragsstrafenregelungen in AGB. Das Dumme dabei: wird eine höhere Vertragsstrafe vereinbart, fällt die nicht auf eine zulässig hohe zurück. Die Regelung wird komplett unwirksam und es gibt gar keine Vertragsstrafe.
     
  10. Bruno

    Bruno

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    Ob Verschulden, also Verzug, eine Rolle spielt hat mich nochmal interessiert. Die §§ 339 bis 345 BGB enthalten Regeln zur Vertragstrafe. Demnach ist Verschulden erforderlich. Ob das BGB auf den Plan tritt sobald irgendwo das Wörtchen "Vertragsstrafe" fällt ist mir unklar. Die VOB/B misstraut jedenfalls dem Automatismus und stellt in § 11 klar: "Wenn Vertragsstrafen vereinbart sind, gelten die §§ 339 bis 345 BGB".

    Nehmen wir an, dass das BGB trotzdem automatisch maßgeblich ist (ob die VOB vereinbart ist wissen wir nicht, dann wärs klar), wird die Klausel noch zweifelhafter. Es ist unbedingt Verzug notwendig. Da es aber keinen kalendermäßig bestimmten Fertigstellungstermin gibt, sobald ein bißchen "ungünstiges" Wetter war, tritt Verzug nicht ohne extra Inverzugsetzung ein. Kein Verzug -> kein Verschulden -> keine Vertragsstrafe, egal ob die Klausel AGB ist oder nicht.
     
  11. Berndi

    Berndi

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    Zuersteinmal vielen Dank für die angeregte und anregende Diskussion ....

    Wenn ich das richtig verstanden habe, hätte ich den AN, der diese individuell ausgehandelte (!) Klausel tatsächlich unterschrieben hat, in Verzug setzen sollen.
    Wann hätte das geschehen müssen und wie ?

    Für weitere Anregungen wäre ich nach wie vor dankbar.

    Gruß,
    Berndi
     
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