Erhöht eine unvollständige Blitzschutzanlage das Risiko eines Blitzschlages?

Diskutiere Erhöht eine unvollständige Blitzschutzanlage das Risiko eines Blitzschlages? im Elektro 1 Forum im Bereich Haustechnik; Im Zuge eine Sanierung eines Mehrfamilienhauses (altes Wohnmietgebäude) wurde u. a. die Fassaden aufgemotzt und teilweise die Rinnen und Fallrohre...

  1. BaUT

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    Im Zuge eine Sanierung eines Mehrfamilienhauses (altes Wohnmietgebäude) wurde u. a. die Fassaden aufgemotzt und teilweise die Rinnen und Fallrohre erneuert. Auf dem Dach befand sich eine Blitzschutzanlage (Baujahr unbekannt) mit blitzfang und Ableitstangen bis an die Regenrinnen. Ordentliche Leitungen bis in die Erde gab es nicht.

    Der Bauträger weigert sich nun die "Reste" der unvollständigen Blitzschutzanlage vom Dach zu holen mit der Begründung "schadet ja nicht".

    Die Wohneigentümergemeinschaft sieht das anders und hat Sorge dass die Fangstangen das Einschlagrisiko erhöhen und das Schadensrisiko für das Haus wegen unvollständiger Blitzschutzanlage damit zunimmt.

    Wer hat Recht?
    Habe jetzt schon so viel gelesen, wurde aber nicht schlauer.
     
  2. #2 chris84, 04.09.2024
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    Das kann meines Erachtens definitiv verneint werden. Blitze lassen sich nicht anziehen, zumindest nicht in einem Maße, dass ein höheres Risiko resultieren würde als zuvor. Außer die Gebäudehöhe wird durch die Fangeinrichtung signifikant erhöht.
    Ansonsten würden auch Kamine ein entsprechend erhöhtes Risiko darstellen.
    @Dipol wird hierzu sicher auch noch ein paar Verweise liefern können.
     
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  3. #3 Hercule, 04.09.2024
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    Erhöht das Risiko nicht, würde aber Sinn machen das zu lassen und bis zur Erde zu ziehen und dort fachgerecht zu verlegen. Ich denke in einen Ringerder wäre nicht schlecht.
    Wenn es mit dem Potentialausgleich der Stromanlage im Haus verbunden ist, wäre übrigens auch ein T1 T2 Überspannungsableiter notwendig.
     
  4. #4 Dipol, 05.09.2024
    Zuletzt bearbeitet: 05.09.2024
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    Korrekt, alle bisherigen Untersuchungen von Blitzschäden haben bei Gebäuden mit Blitzschutzanlagen, Antennen, PV-Anlagen oder Edelstahlkaminen keine erhöhte lokale Einschlaghäufigkeit festgestellt.
    Ich versuchs zu später Stunde, auch wenn mir in einem Elektroforum angeblich weder blonde EFK noch weißhaarige Ing. grad folgen können. ;)
    1. Auch dieses Thema ist vom Bauchgefühl über objektiv seltene Direkteinschläge eindimensional dominiert und ignoriert, dass das Risiko über ungeschützte Versorgungsleitungen Überspannungsschaden zu erleiden, vielfach höher ist.
    2. Blitze schlagen bevorzugt an Stellen hoher Feldlinienkonzentration wie Spitzen, Ecken oder Kanten ein. Nur deswegen wirken auch Fangstangen, Fangspitzen und auch Fangleitungen auf den letzten Metern des Blitzkanals im Bereich der Enddurchschlagstecken als Blitzfänger. Speziell Dachantennen wirken leider besonders "gut" als ungewollte Fangeinrichtungen und müssen seit jeher auch auf Gebäuden ohne Blitzschutzsystem traditionell blitzstromtragfähig geerdet und in den Blitzschutzpotentialausgleich eingebunden sein.
    Zudem:
    • Behördlich geforderte Blitzschutzsysteme müssen der Normenreihe IEC 62305 entsprechen, bei freiwillig errichteten ist das ebenso sinnvoll aber strittig ob die Normenreihe auch verbindlich ist..
    • Bei freiwillig erstellten Blitzschutzanlagen ist somit auch nicht eindeutig, ob die im Rahmen der normativen Intervalle geprüft und gewartet werden müssen oder ob denen ein ewiges Leben unterstellt werden darf.
    • So lange keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden, entsteht bei Anlagen, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung nachweislich den damals gültigen Normen entsprochen haben, auch keine Nachrüstpflicht, egal wie subjektiv gefährlich das eine Blitzschutzfachkraft beurteilt.
    • Die meisten Dachdecker haben keine Skrupel korrodierte oder auch nur hinderliche Fang- oder Ableitungen zu demontieren und damit Dachantennen der einzigen Erdung zu berauben. Das wäre klar unzulässig!
    • Metallische Regenfallrohre sind nur sehr bedingt als Ableitungen zulässig und die Entfernung von korrodierten Ableitungen stellt m. E. eine wesentliche Änderung dar, welche auch mit einem erhöhten Brandrisiko verbunden sein kann.
    • Da die IEC 60728-11 nur für Antennenanlagen gilt, müssen nicht viel weniger einschlaggefährdete Dachaufbauten wie Edelstahlkamine, Masten von Wetterstationen oder auch PV-Anlagen kurioserweise nicht blitzstromtragfähig geerdet werden.
    • Ohne LPS gibt es auch keinen Zwang potentiell blitzstrombeaufschlagte Erdungsleiter von Antennen und Funktionserdungsleiter oder Strings von PV-Anlagen außen ohne Näherungen abzuführen und nur auf oder unter Erdniveau gefahrloser in Gebäude einzuführen. Bei objektiv seltenen Direkteinschlägen können davon ausgehende Lichtbogenüberschläge potentiell ebenso brandauslösend sein wie nicht fachgerechte Ableitungen, die nur über Erdspieße oder Gussrohre ohne Verbindung zum Blitzschutzpotentialausgleich "geerdet" sind.
    FAZIT: Wenn ich es als ehemaliger freier Wohnungsunternehmer richtig deute, dass ein "Bauträger" ein Objekt in Eigentumswohnungen aufgeteilt hat, schließe ich als Betriebswirt des Handwerkes und Nicht-Jurist nicht aus, dass diese Nutzungsänderung auch ohne VOB als Vertragsbestandteil erhebliche Nachrüstungsverpflichtungen auslöst.
     
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  5. BaUT

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    @Dipol
    Wow - vielen Dank.
     
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  6. #6 Hercule, 06.09.2024
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    Ich glaube der kennt sich aus :lock
    Meinen Respekt das er hier sein Wissen im Forum teilt.
     
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