Phasenverschiebung

Diskutiere Phasenverschiebung im Bauphysik allgemein Forum im Bereich Bauphysik; Eine Frage an die Bauphysikexperten. Bei sehr gut gedämmten Gebäuden mit zusätzlich massiven Wänden (Beton, Ziegel) hat man eine sehr hohe...

  1. #1 Hercule, 18.07.2024
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    Eine Frage an die Bauphysikexperten.
    Bei sehr gut gedämmten Gebäuden mit zusätzlich massiven Wänden (Beton, Ziegel) hat man eine sehr hohe Phasenverschiebung - Sprich: im Sommer heizt sich so eine Konstruktion innen nicht nennenswert auf.
    Bei sehr gut gedämmten Gebäuden in Leichtbauweise hat man zwar einen niedrigen U Wert aber eine sehr niedrige Phasenverschiebung - es heizt sich innen also durch Sonneneinstrahlung sehr schnell auf (was ggf in der Übergangszeit ja sogar Energie sparen könnte - solare Gewinne).
    Jetzt meine Frage: hätte man bei letzterer Konstruktion mit geringer Phasenverschiebung nicht auch im Winter in umgekehrter Richtung höhere Wärmeverluste trotz niedrigem U Wert ?
     
  2. #2 chris84, 18.07.2024
    Zuletzt bearbeitet: 18.07.2024
    chris84

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    Einfache Antwort: Nein.
    Denn die Phasenverschiebung hat nichts mit den Wärmeverlusten zu tun, dafür ist ausschließlich der U-Wert zuständig.
    Auch das ist nicht korrekt - die solaren Gewinne sind unabhängig von der Phasenverschiebung.
    Aber: bei geringer Phasenverschiebung wirken große solare Gewinne halt deutlich spürbarer. Das hilft aber energetisch nicht, weil nur das nächtliche auskühlen kompensiert wird, und das ist bei großer Phasenverschiebung natürlich auch viel kleiner.

    Im Sommer ist die Ursache für die Erwärmung im Gebäude mitunter die Tatsache, dass durch anwesende Personen, technische Ausstattung und Lüftung permanent Energie in ein Gebäude eingetragen wird. Das führt bei geringer Phasenverschiebung zu schnellerer Aufheizung. Ermöglicht aber gleichzeitig auch ein schnelles abkühlen in der Nacht, wenn richtig gelüftet wird.
    Ist ein Massivgebäude erst mal "auf Temperatur", kriegt man die Wärme halt auch so schnell nicht mehr raus.

    Übrigens hat die Dämmung (im Sinne des U- Wertes) auf den sommerlichen Wärmeschutz gar keinen so großen Einfluss, denn die Temperaturunterschiede von drinnen nach draußen sind nur selten >10K, und die Tagesmitteltemperatur liegt kaum über der Raumtemperatur.
    Viel entscheidender ist der Schutz vor solarer Einstrahlung, primär über das Dach und die Fenster. Beim Dach hilft natürlich eine Dämmung, aber ein doppeltes hinterlüftetes Dach kann ohne Dämmung den gleichen Effekt haben.
     
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  3. #3 Tikonteroga, 18.07.2024
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    Das mit der Phasenverschiebung von Innen (warm) nach Außen (kalt) würde mich auch mal interessieren. So wie ich es verstanden habe, berücksichtigt der U-Wert nämlich weder Temperaturschwankungen auf beiden Seiten noch berücksichtigt er die Wärmespeicherfähigkeit (Rohdichte, spezifische Wärmekapazität).

    Quelle: Wärmedurchgangskoeffizient – Wikipedia
     
  4. #4 BaUT, 18.07.2024
    Zuletzt bearbeitet: 18.07.2024
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    Beispiel massive (schwere) Außenwand U-Wert rd. 0,25:
    Im Winter wenn der Wohnraum durchgehend 24/7 auf 20°C geheizt wird und es tagsüber +5 °C hat und nachts -5 °C, dann braucht es 5-8 Stunden bis die nächtliche Kälte nach innen durchschlägt und die Innenoberfläche auf 15,8 °C "abkühlt". In den Morgenstunden hat man dann bei diesen thermisch trägen Systemen das umgekehrte "Problem". Es dauert dann vormittags wieder einige Stunden, bis die Wärme von außen durchschlägt und die Innenoberfläche wieder 17,5 °C warm ist.

    Bei leichten Außenwandkonstruktionen mit dem gleichen U-Wert schlägt sowohl die Wärme als auch die Kälte "sofort" durch. Sorry für diese unphysikalisch saloppe Ausdrucksweise. Einen tatsächlichen "Mehrbedarf an Heizwärmebedarf gibt es dadurch über den gesamten Tag bilanziert jedoch nicht, denn die "Wärmespeicherung" und die "Kältespeicherung" heben sich bei den schweren Bauteilen quasi wieder auf.

    Eine Sache ist aber wichtig! Je geringer die wärmespeicherfähige Masse der Außenbauteile, um so sinnvoller war die Nachtabschaltung oder Nachtabsenkung von Heizungen. Begründung: Morgens die Heizung wieder einschalten und eine Stunde später war die Bude samt aller Wandinnenoberflächen wieder warm. Das war bei schweren Konstruktionen viel langsamer, wenn diese einmal ausgekühlt waren.

    Im Sommer hat man den Fall umgekehrt. Da kann ich nur jedem Fertighausbesitzer gratulieren. Der schläft nachts bei offenem Fenster und die Bude ist ruckzuck abgekühlt, während in meinem Massivhaus die Wände ihre tagsüber gespeicherte Hitze in mein Schlafzimmer abstrahlen.
     
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  5. #5 chris84, 18.07.2024
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    Absolut richtig. Der U-Wert ist auf stationäre Zustände anzuwenden.
    Für den Energieverbrauch spielen die Schwankungen aber keine Rolle, denn hier kann man einfach das zeitliche Integral über der Temperaturdifferenz bilden.

    Die Phasenverschiebung spielt nur dann eine Rolle, wenn Räume temporär genutzt werden. Dann fällt nämlich das Aufheizen des Speichers weg, der nach der Nutzung seine Energie ungenutzt wieder abgeben würde.
     
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